Irritation und Verwirrung

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Montagskolumne #86 Brennstoff

Bild: Chrigu

„Jeder Verleger der Welt

sollte sich einmal am Tag hinsetzen, um zu beten und Steve Jobs dafür zu danken, dass er die Verlagsbranche rettet“ So Springer-Chef Döpfner vor ein paar Tagen im Fernsehinterview mit dem US-journalisten Charlie Rose. Das iPad brächte das, auf das wir alle gewartet haben. Haben wir?

Auf das ZEIT-Abonnement, das seit drei Wochen donnerstags in unserem Briefkasten liegt, haben wir jedenfalls nicht gewartet. Auch wo her es kommt, wissen wir nicht so genau – der Anruf beim Leserservice brachte in diesem Punkt keinerlei Klärung. Nur irgendwas mit: „E-Mailing“ und wirklich bekommt Mann seit Kurzem regelmäßig E-Mails von Giovanni di Lorenzo. Demnächst als Dankeschön auch eine Herrenarmbanduhr. Denn das ist ja soo total sinning und tröstet darüber hinweg, dass man zum Lesen des beschrieben Objekts gar nicht kommt vor lauter Papier, das man vorher sortieren muss, geschweige denn zu den E-Mails – und alles für 12 Euro.

Dabei hat DIE ZEIT eine wunderbare, kostenlose Online-Plattform, inklusive Giovanni-Videos in denen er erklärt, was, wieso in der neuen Ausgabe steht. Und das Abspielen von Videos soll ja bekanntlich ein Trumpf des 9,7-Zollers sein – neben den 150.000 Apps für dies uns jenes – vorrausgesetzt es ist kein Flash.

Thomas Knüwer hatte die Verleger aber schon vor einem Monat zurecht kritisch gefragt, „wieso beim Ipad mit einem Mal funktionieren soll, was sie derzeit bei Iphone-Anwendungen verhunzen. Denn egal ob Springer “Mein Klub”, “Welt”, “Bild”, “Handelsblatt” oder “FTD”: Bei allen stößt der Leser regelmäßig auf Bilderklickstrecken, die er mobil nicht anklicken kann, Verweise auf Seiten ohne Link und ähnliche Sackgassen. Ihm wird klar: Da laufen plump und ohne weitere Adaption Inhalte der Web-Seiten in die App ein. Ohne weitere Qualitätskontrolle.“

Die große Herausforderung der Verlage bestünde also allgemein darin, ihre Onlineinhalte auf die iPad-Zielgruppe respektive den technischen Gegebenheiten dieses kastrierten Tabletcomputers anzupassen. Bitte eine App, aber bitte eine, die auch klicki-bunti ist, denn schließlich will der High-Tech-Nutzer vor allem eins: mundgerechte, leicht kaubare Unterhaltung.

Ich prognostiziere zumindest der europäischen Zivilisation, dass sie sich in wenigen Jahren auf die gedruckte Zeitung zurück besinnt: Es wird wahnsinnig trendy sein, in der Öffentlichkeit mit einer Zeitung zu rascheln, statt halb apathisch auf ein fettverschmiertes Display zu glotzen. Und vielleicht wird es noch trendiger sein, sich ein Buch zu nehmen, Notizen mit einem echten Stift darin zu machen, weil es bedeutet, dass man die Zeit dazu hat.

Denn wenn sich die Verlage online zukünftig tatsächlich auf eine derart infantile Zielgruppe einschießen, Döpfer tut das natürlich zurecht, aber dann sehe ich für sie noch schwärzer, als wenn ich beim Online-Topverdiener SPON die unzähligen abkopierten, ungeprüfte und unredigierte EIL-Meldungen sehe.

…und lobe mir sogar ein ZEIT-Abo, denn nicht nur, dass es mich an Kindheits-, Jugend- und Studentenjahre erinnert. Mit der ZEIT kann man Butterbrote, Fisch oder Geschenke einpacken, man kann auf ihr Kartoffelnschälen und seine Wände streichen, Fensterputzen, Hütebasteln, Umziehen (Welche App kann das schon?). Und sie lesen, vielleicht nicht komplett, aber eine Woche lang Häppchen für Häppchen, sehr unterhaltsam.

In jedem Falle Brennstoff.